Alte Siedlung – junge Stadt
Belagerung des Hohentwiel im 30-jährigen
Krieg (Grafiksammlung)
Singen ist einer der wenigen Orte im nördlichen Alpenvorland mit einer ungebrochenen Siedlungskontinuität seit der Jüngeren Steinzeit (3.000 v. Chr.). Die erste schriftliche Erwähnung der Siedlung „Sisinga“ findet sich in einer sanktgallischen Urkunde aus dem Jahr 787. Seit 1087 hatten die edelfreien Herren von Singen ihren Sitz in Niedersingen, bis sie 1122 auf den Hohentwiel zogen. Das Kloster Reichenau besaß ab dem 10. Jahrhundert die Ortsherrschaft von Singen.1432 wurde das Dorf als Lehen dem Kloster St. Gallen übertragen. Diese Verbindung ist auch heute noch im Singener Wappen, dem St. Gallener Bär sichtbar.
Nach wechselnder Herrschaft ging Singen im Dreißigjährigen Krieg in den Besitz Vorderösterreichs über, wo es bis zum Ende des alten Reichs verblieb. Es gehörte in diesem Zeitraum zur Landgrafschaft Nellenburg mit dem Oberamt in Stockach. Im Jahre 1774 gelangte Singen als Pfand- und Kunkellehen an die aus Tirol stammenden Grafen von Enzenberg.
Von 1805 bis 1810 unterstanden Gemeinde und Herrschaft in Folge des Dritten Koalitionskrieges zwischen Napoleon und den Alliierten um Russland und Österreich der Krone Württemberg, seit 1810 dem Großherzogtum Baden.
Die Stadtrechte erhielt Singen am 11. September 1899 vom badischen Großherzog Friedrich I. verliehen. Seit dem 1. April 1956 ist Singen Große Kreisstadt.
Eisenbahnknotenpunkt und Wirtschaftsstandort
Stadtansicht um 1910 (Fotosammlung)
Ein breit gefächertes Handwerk sowie landwirtschaftliche Betriebe prägten den Charakter des Dorfes im 19. Jahrhundert. Einen ersten Versuch zur Ansiedlung von Fabriken unternahmen die Grafen von Enzenberg mit einer Tabakfabrik auf dem heutigen Gelände des Elektrizitätswerkes im Jahr 1782. Nach deren Schließung im Jahr 1810 siedelte sich an gleicher Stelle von 1846 bis 1928 die Mechanische Baumwollspinnerei Trötschler an.
Den entscheidenden Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung vom Dorf zur Stadt gab die Anbindung an das Eisenbahnnetz: 1863 wurde die Strecke Waldshut – Konstanz eröffnet, 1866 folgte die Schwarzwaldbahn von Offenburg über Engen – Singen nach Konstanz. Der Betrieb auf der Linie Winterthur – Etzwilen – Singen wurde 1875 eröffnet. Singen war gegen Ende des 19. Jahrhundert ein Eisenbahnkontenpunkt in grenznaher Lage zur benachbarten Schweiz. Begünstigt durch die Zollpolitik des Deutschen Reichs nutzte 1887 der Schweizer Unternehmer Julius Maggi diesen Standortvorteil mit der Gründung einer Versandstelle für seine Suppenwürze, die bereits 1897 als Firma Maggi GmbH rechtlich selbständig wurde. Zwei Jahre früher eröffneten die Georg-Fischer-Werke Schaffhausen eine Filiale zur Herstellung von Temperguss-Fittings in Singen. Im Jahr 1912 folgten als dritter Großbetrieb die Aluminium-Walzwerke.
Blick über das Bahngelände (Fotosammlung)
In den 1920er Jahren hielt die rasante wirtschaftliche Entwicklung „in amerikanischem Tempo“ an, Singen wurde zum Oberbadischen Wirtschaftszentrum.
Dieser Wandel vom Bauerndorf zur modernen Industriestadt prägt auch heute noch das Stadtbild mit architektonischer Sachlichkeit, Zweckmäßigkeit und klarer Linienführung.
Die Inbetriebnahme der Autobahn A 81 Stuttgart – Singen verstärkte 1978 noch die verkehrsgünstige Lage der Stadt.
Bürgerschule und Kulturmetropole
Ekkehardschule um 1912
(Postkartensammlung)
Der Eisenbahnknotenpunkt bewirkte auch in der örtlichen Infrastruktur einen erheblichen Aufschwung: 1885 wurde die Sparkasse Singen gegründet, ein Spital wurde 1884 eingerichtet und 1895 durch ein neu gebautes Krankenhaus ersetzt.
Auch im Bildungssektor spiegelt sich die rasante Stadtwerdung wider: Die erste weiterführende Bürgerschule wurde 1901 in der Ekkehardstraße eingeweiht, gefolgt 1910 von der Realschule, dem heutigen Hegau-Gymnasium.
Das Kunstmuseum mit seiner Sammlung zeitgenössischer Künstler aus dem Hegau und die seit 1928 in der Innenstadt angesiedelte Kunst im öffentlichen Raum brachten Singen den Ruf als „kulturelle Hegau-Metropole“ ein.
Zweiter Weltkrieg
Bombenschäden in der Hauptstraße im
Winter 1944/45 (Fotosammlung)
Zu Beginn der NS-Diktatur wurde im März 1933 die Herausgabe der SPD-Zeitung „Volkswille“ verboten sowie die Gewerkschaften und Arbeiter-Sportvereine aufgelöst. Während des Zweiten Weltkrieges mussten tausende Menschen, vor allem aus Osteuropa, Zwangsarbeit in den örtlichen Industriebetrieben leisten. Zahlreiche verfolgte Hitler-Gegner und Juden konnten mit Hilfe u.a. des Pfarrers August Ruf über die Schweizer Grenze fliehen.
Die Gegend um den Bahnhof wurde durch Bombenangriffe im Winter 1944/45 stark zerstört. Eine weitergehende Zerstörung der Stadt konnte auf Grund der vor Ort ansässigen Schweizer Unternehmen jedoch verhindert werden.
In Folge des Wirtschaftsaufschwungs und Zuzugs von Flüchtlingen und Gastarbeitern wuchs die Stadt in den 1950er Jahren weiter stark an.
Zeitgeschichte
Schreiben an Theopont Diez
zum Ausbau der A81
(Nachlas Diez)
Die Grenzen der Gemarkung konnten durch zahlreiche Eingemeindungen in den 1960er und 1970er Jahren erweitert werden: Den Beginn machten die Eingemeindung des Bruderhofs im Jahr 1967 und des Hohentwiel zum 1. Januar 1969. Die Nachbargemeinden Überlingen am Ried, Friedingen, Hausen an der Aach und Schlatt unter Krähen wurden im Jahr 1971 eingegliedert. 1972 folgte Beuren an der Aach und zuletzt Bohlingen 1975.
Im Jahr 2000 richtete Singen die Landesgartenschau auf dem Gelände vom Rathaus über das Alte Dorf und die Offwiese bis hin zur Schanz aus.