Briefmarkenverein Singen

Sammler

Von Jens Albes

Steil aufragende Dachbalken: Die ersten beiden Briefmarken der Bundesrepublik Deutschland zeigen zur Eröffnung des Bundestags ein Richtfest. Erschienen sind sie vor genau 70 Jahren, am 7. September 1949. Seitdem haben in Deutschland Hunderttausende Sammler in Ost wie West Millionen Briefmarken gesammelt. Ist das heute nur noch ein angestaubtes Hobby?

„Die meisten Personen stellen sich das Briefmarkensammeln langweilig und einseitig vor. Doch das ist nicht der Fall“, versichert der 17-jährige Samuel Schnitzler in Ruppach-Goldhausen bei Montabaur im Westerwald. Er kann sich begeistern: Einer der Briefe seiner Sammlung sei per Space Shuttle zur Internationalen Raumstation ISS geflogen und dort abgestempelt worden. „Nicht viele Leute können behaupten, einen Gegenstand, der bereits im Weltall war, zu besitzen.“

Doch die Szene plagen Nachwuchssorgen. Der Vorsitzende des Vereins Deutsche Philatelisten-Jugend, Heinz Wenz in Trier, ist selbst ein Sinnbild dafür: Mit 69 Jahren hat er nach eigenen Worten noch keinen Nachfolger gefunden. „Wir haben ungefähr 2000 Mitglieder in Deutschland“, sagt er. „Mit unseren Arbeitsgemeinschaften in Schulen sind es 4000.“ In den 90er-Jahren habe der Jugendverband noch rund 15 000 Mitglieder gezählt – ohne Gruppen in Schulen.

Dahmes Museumsleiter Tilo Wolf bei Vorbereitungen für die Schau, die am 9. November um 19 Uhr eröffnet wird.

Gründe für den Rückgang gebe es viele: mehr digitale Kommunikation, weniger Post mit klassischen Briefmarken, neue Freizeitfresser wie Computer und Handys, weniger Freiwillige für Jugendarbeit, erklärt der pensionierte Mathe- und Physiklehrer. Die Deutsche Post hat nach eigener Auskunft zum Beispiel 2001 noch 9,3 Milliarden Briefe befördert. 2018 waren es nur noch 7,7 Milliarden.

Kevin Weigt (20) schwärmt in Neuwied: „Briefmarkensammeln ist unheimlich vielseitig.“ Es gebe unzählige Spezialgebiete, es lasse sich viel Neues lernen. Der Student mit den Fächern Englisch und Geschichte auf Lehramt späht mit einer Leuchtlupe auf einen frankierten Brief: „Ich sammle Schweizer Postverkehr von 1849 bis 1875.“ Dabei nutze er auch das Internet: „Da gibt es Foren, da kann man sich mit anderen Sammlern austauschen.“ Auf 40 bis 50 Jahre schätzt Weigt dort den Altersdurchschnitt – und auf 60 plus in den Vereinen für Erwachsene.

Ein sammelnder Nachbar habe ihn als Kind zu diesem Hobby gebracht. Mit 14 habe er in Wiesbaden ein Praktikum „im ältesten Briefmarken-Auktionshaus Deutschlands“ gemacht, gegründet 1913. „Die meisten in meiner Schulklasse fanden mein Hobby ganz gut“, sagt Weigt. „Einige haben aber auch gefragt, ob das nicht eher was für alte Opas wäre.“

Die Deutsche Post verdient auch mit Briefmarkensammlern Geld. 26 „Philatelie-Shops“ in Postfilialen großer Städte haben auf sie zugeschnittene Angebote. Zu Messen und Ausstellungen mit Briefmarken fahren „EB-Teams“, sagt Postsprecher Erwin Nier in München. EB stehe für „Erlebnis Briefmarke“ – Sammler erhielten bei diesem mobilen Vertrieb der Post Marken, Sonderstempel und manches mehr. „Da kommen auch viele Kinder bis 14“, erklärt Nier. „Dann bricht es für zwei Jahrzehnte ein. Mit 35, 40 Jahren geht es wieder weiter.“

Samuel Schnitzler gehört mit seinen 17 Jahren zu den Ausnahmen in dieser Alterslücke. Seine Sammelgebiete sind Briefumschläge mit Stempeln von „raumfahrtbezogenen Postämtern, zum Beispiel des Kennedy-Space-Centers“, Weihnachtsmarken und Briefmarken mit Napoleon-Motiven. „Es ist schön, diese Sammlung Tag für Tag wachsen zu sehen, und auch das Auffinden neuer Napoleon-Marken, ähnlich einer Schatzsuche, macht mir viel Spaߓ, betont der Gymnasiast.

Eines kommt jungen Sammlern entgegen: Die Preise für Kollektionen sind oft gefallen. Hohe Auflagen neuerer Marken, weniger Sammler und damit weniger Nachfrage: „Jüngere Sammlungen der Bundesrepublik sind praktisch nicht mehr verkäuflich“, sagt Vereinschef Wenz. Nur bei seltenen und gesuchten Marken könnten die Preise noch anziehen. Er selbst habe schon als siebenjähriges Kind zu sammeln angefangen: „Mein Vater war lange in Russland in Kriegsgefangenschaft, er hat mir russische Briefmarken mitgebracht.“

Der Schüler Samuel Schnitzler findet, sein Hobby lohne sich gerade heute: „Eine Briefmarke ist etwas Handfestes – somit ein guter Ausgleich zur digitalen Flut und auch eine gute Möglichkeit, sich vom Alltag zu entspannen.“


Briefmarkensammeln: Zwei Experten über ihr Hobby

Erstellt: 13.01.2017, 17:32 Uhr

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Unter die Lupe genommen: Dieter Langnickel (li.) und Emanuel Rüff schauen sich einige Marken ganz genau an. © sh

Wolfratshausen – Briefmarkensammeln ist aus der Mode gekommen, gerade bei Jugendlichen. Warum eigentlich? Redakteur Patrick Staar unterhielt sich am Rande eines Vereinsabends mit zwei Briefmarken-Experten.

„Kommst Du mit zu mir? Ich zeig Dir meine Briefmarkensammlung.“ In den 1950er-Jahren hatte man gute Chancen, mit diesem Spruch die Angebetete in die eigene Wohnung zu locken. Heute würde man höchstens verwunderte Blicke ernten. Aber begeisterte Sammler gibt es immer noch: Der frühere Berufssoldat Dieter Langnickel (82) ist beim Briefmarken-Sammler-Verein „Isaria“ für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Student Emanuel Rüff (23) ist Geschäftsführer des Wolfratshauser Vereins.

Was macht am Briefmarkensammeln Spaß?

Rüff: Es ist was Schönes, sich Stück für Stück eine Sammlung aufzubauen. Ich finde, man lernt über Briefmarken wahnsinnig viel über die Zeit und die Gesellschaft, in der sie rausgegeben wurde. Was war würdig, auf eine Briefmarke zu kommen? Das verändert sich im Laufe der Zeit.

Was hat sich denn verändert?

Rüff: Schauen Sie sich nur mal die bayerischen Marken aus dem Jahr 1871 an: Da war fast nur der Regent drauf. Und heute? Nirgends ist mehr der Bundeskanzler oder Bundespräsident zu sehen. In England ist das anders. Da gibt es Marken mit der Queen. Die Aussagekraft über die gesellschaftlichen Verhältnisse – das finde ich faszinierend.

Briefmarkensammeln gilt nicht wirklich als cooles Hobby. Warum?

Rüff: Ich weiß, dass es so ist, aber ich kann es nicht nachvollziehen. Vielleicht, weil es nichts mit Bewegung zu tun hat. Vielleicht ist es zu langweilig, weil zu wenig passiert.

Braucht man eine spezielle Persönlichkeitsstruktur, um Briefmarken zu sammeln?

Rüff: Man braucht schon Geduld und Ausdauer. Man muss ein ordentlicher Mensch sein, sonst landen die Briefmarken in 1000 Schuhschachteln, und man verliert die Übersicht.

Wie sind Sie zum Briefmarkensammeln gekommen?

Langnickel: Das war 1947, während der Schulzeit. Ich habe mich draußen immer gerne aufgehalten. Im Haus gegenüber saß ein Mädchen auf der Fensterbank. Sie hatte eine Schuhschachtel und hat da rumsortiert. Ich habe gefragt: „Was machst denn du da?“ Sie hat gesagt, dass sie von ihrer Oma aus Polen Briefmarken bekommen hat: „Schau mal, wie schön die sind.“ Ich habe die Briefmarken angeschaut – und der Funke war übergesprungen. Mit dem knappen Taschengeld, das ich hatte, bin ich zur Post gegangen und habe alle Briefmarken gekauft, die noch vorrätig waren.


8000 Kostbarkeiten aus einem Sammlerleben

Von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL

22.05.2019 · Am 1. Juni beginnt die Versteigerung der Briefmarkensammlung des verstorbenen Milliardärs Erivan Haub von Tengelmann. Darunter finden sich viele Raritäten mit einer spannenden Geschichte. Anlass für einen Blick auf die Frage: Warum machen Menschen das überhaupt – Briefmarken sammeln?

E r ist klein, grün und unglaublich wertvoll: Der „Baden-Fehldruck“ ist unter den Briefmarkensammlern legendär. Die Marke stammt aus dem Jahr 1851. Damals, noch vor der Gründung des Deutschen Reiches, gab es im Großherzogtum Baden frühe Briefmarken zu 9 Kreuzern, die auf lila-rosa Papier gedruckt wurden. Und es gab Marken zu 6 Kreuzern auf grünem Papier. Normalerweise. Ein Drucker aber verwechselte offenbar in einem Anflug von Nachlässigkeit das Papier. Und schuf damit eine der bedeutendsten Raritäten der deutschen Briefmarkengeschichte: die Marke 9 Kreuzer auf grünem Papier.

Der „Baden-Fehldruck“ aus der Sammlung von Erivan Haub Foto: Cornelia Sick



Eine davon gehört zu den Filetstücken der Briefmarkensammlung des verstorbenen Unternehmers Erivan Haub, des früheren Inhabers von Tengelmann. Die rund 8000 Marken umfassende Sammlung wird vom 1. Juni an in 30 Auktionen in Wiesbaden, Stockholm, Zürich und New York versteigert. Übernommen wird das vom „Global Philatelic Network“, einer internationalen Gruppe von Auktionshäusern, zu der unter anderem das Auktionshaus Heinrich Köhler in Wiesbaden gehört – das älteste Briefmarken-Auktionshaus in Deutschland, gegründet 1913.

Allein der grüne Baden-Fehldruck dürfte mehr als 1 Million Euro einbringen. Im Jahr 1923 war die Rarität einmal bei einer Versteigerung der sogenannten Ferrari-Sammlung für mehr Geld verkauft worden als die blaue Mauritius. 1985 hatte der Brief mit dem Fehldruck für 2,3 Millionen D-Mark (rund 1,15 Millionen Euro) den Besitzer gewechselt. Jetzt ist er in Wiesbaden laut Katalog mit einem Mindestpreis von 800 000 Euro angesetzt. Aber dabei dürfte es nicht bleiben, meinen Dieter Michelson und Karl-Albert Louis von den beteiligten Auktionshäusern.


„Schon bald erkannte ich anhand der kleinen Marken, woher die Briefe kamen, und fing an, diese in einer Schachtel aufzubewahren – so einfach war der Beginn meines lebenslangen Hobbys.“

Erivan Haub


Rund 70 Briefmarkenalben stehen zum Verkauf, das sind etwa zehn laufende Regalmeter. Es finden sich Exemplare der ersten Briefmarke der Welt genauso darunter wie die erste deutsche Briefmarke. Zudem ein Brief, der mit Apollo 11 auf dem Mond gewesen ist und von allen beteiligten Astronauten unterschrieben wurde. Der Schwerpunkt aber liegt bei Briefmarken aus Deutschland vor 1871.

Brief an Abraham Lincoln aus der Sammlung von Erivan Haub Foto: Cornelia Sick

K urios und wertvoll allerdings sind auch die Marken aus der frühen Geschichte der Vereinigten Staaten. Als zur Zeit des Wilden Westens die Eisenbahn noch nicht durchgehend von der amerikanischen Ost- zur Westküste fuhr, spielte der „Pony Express“ eine wichtige Rolle – ein als Reiterstafette organisierter Postbeförderungsdienst. Er kommt in vielen Filmen vor. Ein Brief aus dieser Zeit gehört auch zu der Haub-Sammlung: Ihn ziert eine Briefmarke mit dem Konterfei des ersten amerikanischen Präsidenten George Washington – und er ist immerhin an den späteren Präsidenten Abraham Lincoln adressiert und verschickt worden.

Stempel des Pony Express auf einem Brief an Abraham Lincoln aus der Sammlung von Erivan Haub Foto: Cornelia Sick



Ebenfalls aus der frühen amerikanischen Postgeschichte stammt der „Blue Boy“, eine in Sammlerkreisen gleichfalls legendäre lokale Briefmarke der amerikanischen Stadt Alexandria im Bundesstaat Virginia. Von dieser Marke aus dem Jahr 1846, also noch vor dem Start einheitlicher Marken der amerikanischen Post im Jahr 1847, ist nur ein einziges Exemplar in dieser Farbe erhalten. Zudem steckt hinter dem Brief eine Liebesgeschichte, zwischen einer der Religionsgemeinschaft der Episkopalen angehörenden jungen Frau und einem zu den Presbyterianern gehörenden jungen Mann. Wie in William Shakespeares Schauspiel „Romeo und Julia“ wollten die Familien damals die Liebesbeziehung verhindern. Im amerikanischen Fall allerdings ging die ganze Sache offenbar gut aus – und der Brief ist seither legendär und gilt als eines der teuersten amerikanischen Sammlerstücke.

Briefmarke „Blue Boy“ Foto: Cornelia Sick



Das alles sind Zeugnisse eines ungewöhnlichen Sammlerlebens. Erivan Haub, der im vergangenen Jahr verstorbene frühere Tengelmann-Inhaber, der Vater des in Zermatt beim Skibergsteigen vermissten Karl-Erivan Haub, hat sein ganzes Leben lang Briefmarken gesammelt. Die besondere Liebe des Nachkriegs-Unternehmers galt dabei den altdeutschen Marken, der „Klassik“, wie die Philatelisten sagen. Er interessierte sich sehr für die deutsche Geschichte: Jene Zeit, bevor Deutschland zum Nationalstaat wurde, hatte er besonders im Blick. Unter den deutschen Staaten gehörte sein Augenmerk in erster Linie dem Land Baden – angeblich, weil seine Frau daher stammte.

A ngefangen hatte alles mit den Briefmarken von der internationalen Korrespondenz seiner Mutter, die Erbin eines Handelshauses war, erinnerte sich der 1932 geborene Haub einmal in einem Aufsatz. „Schon bald erkannte ich anhand der kleinen Marken, woher die Briefe kamen, und fing an, diese in einer Schachtel aufzubewahren – so einfach war der Beginn meines lebenslangen Hobbys.“

Sein Hauslehrer damals, der aus Danzig stammte, begeisterte ihn für die hübschen Marken aus der alten Hansestadt. „Gemeinsam suchten wir Marken, um leere Taschen in zwei Schaubek-Briefmarkenalben zu füllen, die noch von meinen Großeltern stammten.“ Nach dem Krieg habe er in der Schule einen regelrechten Tauschhandel aufgebaut, erinnert sich Haub. Seine Kenntnisse hätten ihm dabei schnell einen Vorteil gegenüber Mitschülern gebracht – den er aber nie ausgenutzt habe, behauptet er. In den ersten Nachkriegsjahren wurde er sogar mal von der Polizei aufs Revier gebracht, weil er versucht hatte, Kaffee aus einem Carepaket seiner Eltern auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, um sich dafür Briefmarken zu holen.


„Was heute als elektronische Nachricht in Sekundenbruchteilen von einem Ende der Welt zum anderen gelangt, hatte seinen Ursprung einst in dem ganz gewöhnlichen Brief.“

Erivan Haub


Von 1952 an arbeitete Haub in den Vereinigten Staaten. Er erinnert sich, dass er dort Tag für Tag in einem fensterlosen Untergeschoss Kartons aufschneiden musste. Anfangs offenbar eine harte Zeit, doch das wendete sich später. Als er Amerika wieder verließ, hatte er die Grundlagen für seine Sammlung amerikanischer Briefmarken gelegt. „Der Abschied von Amerika fiel mir schwer“, schreibt er in der Erinnerung. „Ein wenig wehmütig schaute ich von der Schiffsreling zurück auf eine wunderbare Zeit; im Gepäck unauslöschliche Erinnerungen – und einen kleinen Schatz an Briefmarken.“

In den Fünfzigern erwarb Haub dann erstmals Briefmarken bei einer Auktion: eine 3 Kreuzer blau mit einem „herrlichen Einser-Mühlradstempel“, wie er schwärmt, und einen „Schwarzen Einser“ von Bayern. So ein Einser wäre heute je nach Zustand 800 bis 1300 Euro wert, sagen Briefmarken-Fachleute – die 3 Kreuzer blau dagegen wohl nur 5 Euro.

Brief aus dem Nachlass des rumänischen Königs Carol aus der Sammlung von Erivan Haub Foto: Cornelia Sick



In Wiesbaden eröffnete die Familie 1967 den ersten Verbrauchermarkt der Unternehmensgruppe, damals „Grosso“ genannt. Zu den ersten Produkten, die man dort verkaufte, gehörten auch Briefmarken als Kiloware. „Das war natürlich eine einsame Entscheidung“, erinnert Haub sich, „die einzig und allein auf meiner Begeisterung für die Philatelie beruhte und dementsprechend auch nicht den gewünschten Erfolg am Point of Sale hatte“.

1969 verstarb sein Onkel, und Erivan Haub wurde über Nacht alleiniger Geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe. Das nahm ihm anfangs die Zeit fürs Briefmarkensammeln – gab ihm aber später, als alles erst mal gut organisiert war, noch mal ganz andere finanzielle Möglichkeiten. Über all die Jahre hinweg wurde der Milliardär häufig persönlich bei Briefmarkenauktionen gesehen; oft mit seiner Frau Helga, die das Hobby teilte und es nicht, wie manche andere Partner von Briefmarkensammlern, als verschrobene Verrücktheit ablehnte.

Sogar eine blaue Mauritius, die wohl berühmteste Briefmarke der Welt, nannte Haub zeitweise sein Eigen. Er befand aber, die Marke passe nicht in seine Sammlung. Er sammelte schließlich vor allem Altdeutschland, Vereinigte Staaten, Alpenländer und Zeppelin-Marken (ein halb versengtes Stück aus dem abgebrannten Luftschiff Hindenburg gehört zur Sammlung) – aber eben nicht das Sammelgebiet Inselstaat Mauritius. Und so trennte Haub sich später wieder von der Rarität. Schon vor seinem Tod soll er eingefädelt haben, dass die Sammlung verkauft werden sollte.


„Ich gehöre zu den Menschen, zu deren Charaktereigenschaften Beharrlichkeit und Beständigkeit zählen. Und wenn ich etwas ins Auge gefasst hatte, so habe ich nicht eher geruht, bis das gewünschte Objekt in meinem Besitz war.“

Erivan Haub


Eine der bekanntesten Briefmarken der Welt, die „Blaue Mauritius“ Foto: dpa

E in Sammlerleben: Das bedeutet offenbar, irgendwann die Begeisterung für ein Sammelgebiet entdecken. Dann mit Leidenschaft den Objekten der Begierde hinterherjagen. Es fast etwas übertreiben mit der Begeisterung. Und irgendwann dann damit klarkommen, dass die Sammlung vollendet ist – oder es nie werden wird.

„Ich gehöre zu den Menschen, zu deren Charaktereigenschaften Beharrlichkeit und Beständigkeit zählen“, schreibt Haub über sein Selbstverständnis als Sammler. Jedenfalls habe er sich immer bemüht, das, was er einmal begonnen habe, zu einem guten Ende zu führen: „Und wenn ich etwas ins Auge gefasst hatte, so habe ich nicht eher geruht, bis das gewünschte Objekt in meinem Besitz war.“

Der typische Nachkriegs-Unternehmer konnte offenbar noch Briefmarken sammeln, so wie er auch eine Skatrunde hatte und seine Frau für die Angestellten Butterbrote schmierte. Im Laufe der Jahre aber sollten sich die Moden ändern. Wer gibt heute noch viel Geld für Briefmarken aus? Das Hobby hat einen dramatischen Niedergang erfahren. Die Unterhaltungselektronik hat bei Kindern und Jugendlichen allen hergebrachten Hobbys Konkurrenz bereitet. Das bekamen die Briefmarken genauso zu spüren wie die Münzen oder die elektrische Eisenbahn.

Zudem ist ein Motiv des Sammelns exotischer Marken aus der Anfangszeit der Philatelie – der kostengünstige Ersatz für eine Fernreise in all diese Länder – durch die allgemeine Mobilität der Gesellschaft in den Hintergrund gerückt. Kinder sehen kaum noch, dass bei ihren Eltern Briefe mit Briefmarken ankommen. Wie sollten sie da auf die Idee kommen, so etwas zu sammeln? Das Internet und Plattformen wie Ebay haben zudem viel Preistransparenz geschaffen: Die Briefmarkenhändler können nicht mehr einfach verlangen, was sie wollen. Philatelistische Massenware hat deshalb einen dramatischen Preisverfall erlebt, vermutlich unumkehrbar.

Kartons mit Briefmarken im Auktionssaal von Heinrich Köhler in Wiesbaden Foto: Cornelia Sick
Dieter Michelson (rechts) und Karl Louis , Geschäftsführer beim Auktionshaus Köhler in Wiesbaden. Foto: Cornelia Sick



Für sehr hochwertige Stücke aber könne nach wie vor viel Geld erzielt werden, ähnlich wie bei Leonardo da Vincis Salvator Mundi, sagen jedenfalls die Betreiber der Auktionshäuser, die jetzt die Haub-Sammlung versteigern wollen. Allerdings schwankten die Preise auch da stark und seien nicht leicht vorher zu berechnen. Einen ähnlichen Effekt jedenfalls gibt es auch bei Meissener Porzellan; während die Standardstücke mit dem Zwiebelmuster enorm an Wert verloren haben, sind ganz alte, seltene Stücke weiter sehr teuer.

Die Versteigerung der Haub-Sammlung jedenfalls soll die spektakulärste Briefmarkenauktion seit vielen Jahren werden. Ein wenig, so hoffen zumindest die Verantwortlichen, könnte das auch dem Hobby insgesamt wieder etwas Glanz und Glamour verleihen. Anders als früher sei vielleicht nicht mehr das Fernweh das entscheidende Motiv, Briefmarken zu sammeln, sondern ein neues Interesse an Geschichte; daran, wie alles Moderne geworden ist. Haub jedenfalls fand das faszinierend: „Was heute als elektronische Nachricht in Sekundenbruchteilen von einem Ende der Welt zum anderen gelangt“, so schwärmte er, „hatte seinen Ursprung einst in dem ganz gewöhnlichen Brief.“

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Briefmarken Jäger der Postwertzeichen – Was Sammler an Briefmarken so fasziniert

Markus Brauer/Tilman Baur/dpa 06.09.2019 – 12:19 Uhr

Der 20-jährige Briefmarken-Sammler Kevin Weigt  aus Neuwied in Rheinland-Pfalz betrachtet einen Brief seiner Sammlung, der 1873 von Princeton (Massachusetts) in die Schweiz versendet wurde. Foto: Thomas Frey/dpa
Der 20-jährige Briefmarken-Sammler Kevin Weigt aus Neuwied in Rheinland-Pfalz betrachtet einen Brief seiner Sammlung, der 1873 von Princeton (Massachusetts) in die Schweiz versendet wurde. Foto: Thomas Frey/dpa

Vor 70 Jahren kamen die ersten Briefmarken der Deutschen Post heraus. Wie andere Vereine klagen heute auch die Philetalisten über Nachwuchsmangel. Ist Briefmarken-Sammeln nur noch etwas für Ältere?

Bonn/Neuwied/Stuttgart – Steil aufragende Dachbalken: Die ersten beiden Briefmarken der Bundesrepublik zeigen zur Eröffnung des Bundestags ein Richtfest. Erschienen sind sie vor 70 Jahren – am 7. September 1949. Seitdem haben in Deutschland Hunderttausende Sammler Millionen Briefmarken aufbewahrt. Heute ein angestaubtes oder sogar aussterbendes Hobby?

„Die meisten Personen stellen sich das Briefmarkensammeln langweilig und einseitig vor. Doch das ist nicht der Fall“, versichert Samuel Schnitzler in Ruppach-Goldhausen bei Montabaur im Westerwald. Der 17-Jährige kann sich für sein Hobby begeistern. Einer der Briefe seiner Sammlung sei per Space Shuttle zur Internationalen Raumstation ISS geflogen und dort abgestempelt worden. „Nicht viele Leute können behaupten, einen Gegenstand, der bereits im Weltall war, zu besitzen.“

Philetalisten-Vereinen fehlt der Nachwuchs

Doch die Philetalisten-Szene plagen Nachwuchssorgen. Der Vorsitzende des Vereins Deutsche Philatelisten-​Jugend, Heinz Wenz in Trier, ist selbst ein Sinnbild dafür: Mit 69 Jahren hat er nach eigenen Worten noch keinen Nachfolger gefunden. „Wir haben ungefähr 2000 Mitglieder in Deutschland“, sagt er. „Mit unseren Arbeitsgemeinschaften in Schulen sind es 4000.“ In den 1990er Jahren habe der Jugendverband noch rund 15 000 Mitglieder gezählt – ohne Gruppen in Schulen.

Die Zahl der Briefmarkensammler in Deutschland schätzt Reinhard Küchler, Geschäftsführer des Bundes Deutscher Philatelisten (BDPh), auf ein bis zwei Millionen. Rund 30 000 von ihnen seien in den etwa 900 Vereinen organisiert.

Zahl der Sammler sinkt permanent

Die Tendenz ist eindeutig: Häufig wird in sehr jungen Jahren das Interesse für die bunten Marken geweckt. Mit Hilfe der Eltern oder Großeltern werden sie in mühevoller Kleinarbeit von Briefen und Postkarten abgelöst und akribisch ins erste Sammelalbum einsortiert. Mit der Pubertät rücken andere Interessen in den Vordergrund und die Alben landen im Keller, wo sie langsam verstauben.

Gründe für den Rückgang gebe es viele: mehr digitale Kommunikation, weniger Post mit klassischen Briefmarken, neue Freizeitfresser wie Computer und Handys, weniger Freiwillige für Jugendarbeit, erklärt der pensionierte Mathematik- und Physiklehrer Wenz. Die Deutsche Post hat nach eigener Auskunft 2001 noch 9,3 Milliarden Briefe befördert. 2018 waren es nur noch 7,7 Milliarden.

Altersdurchschnitt der Mitglieder: 60 plus

Kevin Weigt (20) aus Neuwied schwärmt: „Briefmarkensammeln ist unheimlich vielseitig.“ Es gebe unzählige Spezialgebiete, es lasse sich so viel Neues lernen. Der Lehramts-Student späht mit einer Leuchtlupe auf einen frankierten Brief. „Ich sammle Schweizer Postverkehr von 1849 bis 1875.“

Dabei nutze er auch das Internet. „Da gibt es Foren, da kann man sich mit anderen Sammlern austauschen.“ Auf 40 bis 50 Jahre schätzt Weigt den Altersdurchschnitt in den Vereinen – und auf 60 plus in den Vereinen für Erwachsene.

Ein sammelnder Nachbar habe ihn als Kind zu diesem Hobby gebracht. Mit 14 habe er in Wiesbaden ein Praktikum „im ältesten Briefmarken-Auktionshaus Deutschlands“ gemacht. „Die meisten in meiner Schulklasse fanden mein Hobby ganz gut“, erzählt. „Einige haben aber auch gefragt, ob das nicht eher was für Opas wäre.“

„Eine Briefmarke ist etwas Handfestes

Die Deutsche Post verdient auch mit Briefmarken-Sammlern Geld. 26 „Philatelie-Shops“ in Postfilialen großer Städte haben auf sie zugeschnittene Angebote. Zu Messen und Ausstellungen mit Briefmarken fahren „EB-Teams“, sagt Postsprecher Erwin Nier in München.

EB stehe für „Erlebnis Briefmarke“ – Sammler erhielten bei diesem mobilen Vertrieb der Post Marken, Sonderstempel und manches mehr. „Da kommen auch viele Kinder bis 14“, erklärt Nier. „Dann bricht es für zwei Jahrzehnte ein. Mit 35, 40 Jahren geht es wieder weiter.“

Samuel Schnitzler findet, sein Hobby lohne sich gerade heute. „Eine Briefmarke ist etwas Handfestes – somit ein guter Ausgleich zur digitalen Flut und auch eine gute Möglichkeit, sich vom Alltag zu entspannen.“

Mit seinen 17 Jahren gehört er zu den Ausnahmen. Schnitzlers Sammelgebiete sind Briefumschläge mit Stempeln von „raumfahrtbezogenen Postämtern, zum Beispiel des Kennedy-Space-Centers“, Weihnachtsmarken und Briefmarken mit Napoleon-Motiven. „Es ist schön, diese Sammlung Tag für Tag wachsen zu sehen, und auch das Auffinden neuer Napoleon-Marken, ähnlich einer Schatzsuche, macht mir viel Spaß.“

Marken werden immer günstiger

Briefmarkensammler werden stetig weniger, doch für Aktive seien das paradiesische Zustände, findet Johannes Feifel, der dem Württembergischen Philatelistenverein Stuttgart 1882 e.V. seit mehr als 13 Jahren vorsteht.

Der Verein ist einer von fast 130 Sammler-Gruppen, die im Landesverband Südwestdeutscher Briefmarkensammler-Vereine – einer von insgesamt zwölf Landesverbänden des BDPh – organisiert sind. „Während man sich Marken früher vom Mund absparen musste, schwimmt man heute im Material“, schwärmt Feifel. 99 Prozent der Marken seien in den vergangenen Jahren günstiger geworden.

Für Feifel gibt es gute Gründe, das antiquiert anmutende Hobby zu betreiben. „Jede Marke transportiert eine Botschaft, erzählt eine Geschichte – und gestempelte Marken gleich mehrere, denn der Stempel verrät Ort und Datum des Briefs.“ Auch Feifel hat, wie die meisten Philatelisten, eine Nische gefunden: „Ich sammle Briefumschläge aus dem spanischen Bürgerkrieg“, sagt er.

Hobby mit unendlichen vielen Nischen

Gehandelt werden Briefmarken bei Internetauktionen, aber auch in klassischen Auktionshäusern und auf Sammlerbörsen. Für spezielle Themen haben sich Arbeitsgemeinschaften gebildet. Unverzichtbar ist für Sammler das Wälzen von Fachkatalogen wie dem „Michel“, ein regelmäßig neu aufgelegtes Standard-Werk, das Markenserien in allen Details auflistet.

Nicht unwichtig sei aber auch der soziale Aspekt, erklärt Feifel. „Zusammen sammeln macht mehr Spaß.“ Das gängige Klischee des einsamen Briefmarkensammlers im stillen Kämmerlein bestätigt er trotzdem. Auf 90 Prozent treffe das wohl zu. Aber eben nicht auf alle: „Etwa 30 000 Sammler sind wie wir organisiert.“

Im Verein gebe es wertvolle Ratschläge, wie man systematisch sammelt. Anfänger seien jederzeit herzlich willkommen. Auch die Philatelisten-Grundausstattung steht Mitgliedern zur Verfügung: neben dem Album gehören dazu Lupe und Pinzette, mitunter auch eine Infrarot-Lampe, um die Oberflächenstruktur der Briefmarke genau zu untersuchen.

Als Wertanlage taugen Briefmarken nur bedingt

Einzelne Briefmarken erzielen bei Auktionen Rekorderlöse. Doch davon sollte man sich nicht blenden lassen. Denn als Wertanlage taugen Briefmarken nur bedingt. „Man sollte das Sammeln lieber als Hobby betreiben“, rät Uwe Decker, der frühere Präsident des Bundes Deutscher Philatelisten.

Zwar könnten bekannte Marken wie etwa der Sachsen-Dreier in sehr guter Qualität eine Wertanlage sein. Zu beachten sei aber: Briefmarken haben keinen geregelten Marktpreis, im Gegensatz etwa zu Gold. Decker: „Im Einkauf liegt der Gewinn. Wer zu viel Geld ausgibt, wird die Marke nie gewinnbringend verkaufen.“

Exklusive Einzelstücke bringen die beste Rendite

Sammler tendieren laut Decker zu Qualität und Spezialisierung, „etwa gute Zähnungen, sauber lesbare und mittig gesetzte Stempel oder Belege mit besonderen Versendungsformen“. Gerade Marken aus den Sammelgebieten Altschweiz, Altdeutschland sowie den deutschen Kolonien in Top-Qualität seien gefragt. Nachkriegsausgaben aus der Bundesrepublik Deutschland, Berlin und der DDR hätten kaum Aussichten auf Wertsteigerung, weil das Angebot zu groß ist.

Allgemein brächten exklusive Einzelstücke mehr Rendite als ganze Sammlungen, hat der Experte beobachtet. „Wer in der Philatelie Geld in Marken anlegen will, selbst aber kein Sammler oder Experte ist, sollte sich unbedingt von einer Vertrauensperson beraten lassen.“ Entweder bei Verbänden, Auktionatoren oder im Fachhandel. „Denn bei Briefmarken gibt es einfach zu viele Details, die entscheidend sind.“

Stuttgarter Nachrichten

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